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Fahrberichte - IRONGRAVEL360 2024

Bild mit freundlicher Genehmigung von rongravel360/Rafa Romero

Timo Rokitta hat an Schotterveranstaltungen in ganz Europa teilgenommen und war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung für den Frühling 2024. Als er auf IRONGRAVEL360 stieß, erkannte er, dass er sein frühes Saisonziel gefunden hatte - eine Schotterveranstaltung, die 360 km umfasste und 5000 m Aufstieg beinhaltete, klang ideal. Wenn Sie herausfinden möchten, wie es ihm ergangen ist, dann lesen Sie weiter.

Nachdem ich in den vergangenen zwei Jahren jeweils am The TRAKA 200 und The TRAKA 360 teilgenommen hatte, suchte ich eine neue Herausforderung für die Gravelsaison 2024. Wegen des besseren Wetters sollte die Veranstaltung im Süden Europas sein. Ich stieß dabei auf IRONGRAVEL360 in Alicante. Veranstaltet wird der Gravelride von Miguel Angel Garcia Marti, einem spanischen Gravelbiker, der unter anderem schon mehrmals an „Badlands“ (Link) teilgenommen hat. Der IRONGRAVEL Ride wird 2024 schon zum dritten mal veranstaltet und zählt unter Insidern aber noch als Geheimstipp und ist ein Teil der „Gravel Earth Series“. 

Beim IRONGRAVEL gibt es jedoch nicht nur eine Ultralangstrecke mit 360 Kilometern und 5.000 Höhenmetern. Es gibt zusätzlich noch Strecken mit 100 und 200 Kilometern und dementsprechend weniger Höhenmetern.   

Bild mit freundlicher Genehmigung von Alfredo Maiquez

Als ich morgens um kurz vor 5 Uhr am Startgelände eintreffe, stehen 10 Polizisten mit ihren Motorrädern bereit, die knapp 60 Teilnehmer auf den ersten Metern aus der Stadt zu begleiten. Die Teilnehmer sind aus 22 Nationen aus der ganzen Welt nach Alicante angreist, um sich der Herausforderung zu stellen. Mein Garmin zeigt mir an, dass es heute 21 Anstiege zu bewältigen gibt, was mich doch ein wenig nachdenklich macht. 

Kurz vor dem Startschuss unterhalte ich mich noch kurz mit der deutschen Gravelracerin Svenja Betz, die mir erzählt, dass sie die den IRONGRAVEL360 als Vorbereitung auf das THE TRAKA 360 fährt. Es ist dabei zu erwähnen, dass sie vor einer Woche schon beim Tierrra de Campos Gravelrace teilgenommen hatte und dort in der Gesamtwertung einen hervorragenden dritten Platz erreichte. 

Um Punkt 5 Uhr rollte das Fahrerfeld dann los. Die spanische Polizei riegelt jetzt alle Kreisverkehre und Zufahrtsstraßen ab. Nach 12 Kilometern geht es dann richtig los und hoch in die ersten Anstiege des Tages, oder besser der Nacht. 

Ich halte mich vorne im Feld, um nicht in der Dunkelheit in einen Sturz verwickelt zu werden. Beim Abbiegen auf eine Schotterpiste verfährt sich die Spitze des Feldes und als dann plötzlich alle wenden, bin ich fast ganz hinten in der Gruppe. Noch im Dunkeln geht es nun immer steiler berghoch, doch die Beine sind noch frisch und ich habe gute Laune. Nur meine Finger sind etwas steif gefroren, da es hier oben bitterkalt ist. Besonders anspruchsvoll ist eine holprige Abfahrt über Geröll, die eine vorausschauende Fahrlinie erfordert. Als der Morgen dämmert, geht es einige Meter über sehr schlechte Sträßchen an abgelegenen Höfen vorbei, von denen immer wieder Hunde laut bellen. Ein Stück auf einem alten Bahnradweg – Via Verde – ist danach sehr schnell zu befahren. 

Bild mit freundlicher Genehmigung von Irongravel360/Rafa Romero

Kurz danach steht in einer Kurve ein Motorroller mit einem Fotografen. Der Fahrer ruft laut „Aqua“ zu mir, doch dann ist es auch schon zu spät. Der Track führt geradewegs durch eine tiefe Pfütze. Danach bin ich klatschnass vom Kopf bis zu den Füssen. Bei den noch kalten Temperaturen ist das sehr unangenehm und ich friere noch mehr. 

Etwas Abwechslung bietet dann eine sogenannte „Rambla“, ein ausgetrocknetes Flussbett mit vielen großen Steinen. Ich schiebe mein Gravelbike einige Meter, um hier nicht zu stürzen oder einen platten Reifen zu bekommen. Nach gut 80 Kilometern wird es flacher und bei den Salinas de Santa Pola kann ich ein gleichmäßiges hohes Tempo fahren. 

Nach zwei Singletrails – Passagen folgt der Track dem Rio Segura. Für 25 Kilometer geht es flach, immer am Fluss entlang und mit Highspeed über weiße Pisten, die stark an die „Strade Biance“ in Italien erinnern. Kurz vor Orihuela hat der Spaß ein Ende. Die Strecke biegt nach Norden ab und es wird etwas hügeliger. Ich frage mich ernsthaft, wie man hier auf über 5.000 Höhenmeter kommen möchte, wenn es so weiter geht. Doch ich sollte mich hier wohl gewaltig irren! An der ersten Verpflegungsstelle bei Kilometer 153 halte ich nur kurz an. Die Helfer rufen mir noch zu, dass nun der harte Teil von Irongravel360 kommen wird – sie sollten recht behalten und ich sollte nun leiden. 

Die Landschaft ändert sich nun schlagartig und es geht durch eine wilde Bergwelt, die stark an alte Wildwest-Filme erinnert. An einem steilen Stück wartet der Kameramann Thako Harris und rennt neben mir her, als ich mit vollem Einsatz eine 30 % Rampe auf Beton hinauffahre. Er hat sichtlich Spaß dabei und feuert mich an – mir schießt die Milchsäure in die Beine und mein Puls geht auf 160 Schläge pro Minute. 

Im weiteren Verlauf geht es immer wieder hoch und runter auf losem Schotter. Die Anstiege werden immer steiler, so dass ich mehrmals schieben muss, hier ist meine 40er Kassette mit dem 38er Kettenblatt nicht optimal. Im weiteren Verlauf wechseln sich nun schmale Singletrails mit extremen Steigungen ständig ab. Erst nach 200 Kilometern am „Alto de Monte Coto“ an einem Marmorsteinbruch wird die Strecke nicht mehr so extrem und die Abfahrt entschädigt für die bisherigen Mühen. Der „Alto del Cabezon de la Sal“ ist der letzte Berg vor der Verpflegungsstelle in Pinoso. 

In einem kleinen Restaurant gibt es für alle Paella und kühle Getränke zur Stärkung. Ich esse entspannt einen großen Teller mit Reis und trinke eine eiskalte Cola. Da mir bewusst ist, den schwierigsten Teil hinter mir zu haben, bin ich mir jetzt sicher erfolgreich zu finishen. Rückenwind beflügelt mich hinter Pinoso, als ich über perfekte Gravelpisten fahre. Alicante ich komme – doch ich habe mich zu früh gefreut. Nach einer schwierigen steinigen Passage in einem Waldstück, folgt ein ultraharter Anstieg hoch zum „Alto de la Sierra de Salinas“. Die Straße, die es hoch geht, ist mit Schlaglöchern übersät und voller Rollsplitt. Die Steigungsprozente betragen permanent zwischen 10 und 15%. Als ich aus dem Sattel aufstehen will, dreht mein Hinterrad durch, also fahre ich mit der kleinsten Übersetzung den gesamten Berg konstant hoch. Während der ganzen Auffahrt treffe ich niemanden, auch bei der schnellen Abfahrt begegnet mir niemanden und ich rase mit knapp 70 km/h ins Tal.

Über schnelle Pisten geht es nun an einigen abgelegenen Gehöften vorbei. Das Tempo ist hoch, doch mein Vorwärtsdrang wird abrupt gebremst. Ich fahre mit hoher Geschwindigkeit in ein Stück mit tiefem Sand hinein. Mein Gravelbike beginnt zu schlingern und das Vorderrad steht plötzlich quer. Nur mit Mühe kann ich einen Sturz verhindern. Ich schiebe jetzt das Rad und renne neben dem Gravelbike her, meine Füße versinken dabei bis zum Knöchel im Sand. 

Vor Villena komme ich wieder schneller vorwärts. Auf einem Via Verde führt der Track in die Stadt. Danach geht es auf dem Via Verde leicht ansteigend weiter in Richtung Biar. Diesen Teil der Strecke kenne ich vom letzten Jahr, als ich auf den Via Verdes – Radwegen Südspanien von Valencia nach Gibraltar durchquert hatte. Neben dem Via Verde sind unzählige Löcher im Boden zu erkennen. Hier leben tausende von Kaninchen, die teilweise todesmutig knapp vor mir über den Weg rennen. 

Die letzte Verpflegungsstation ist unterhalb der malerischen Burg von Biar. Der Weg hinauf zur Burg führt malerisch über einen Singletrail. Die spanischen Helfer jubeln begeistert als sie mich sehen. Sie reichen mir sofort Kuchen und halten mein Gravelbike. Freundlicherweise füllen sie mir kalte Cola in meine Flasche und fragen mich wie es mir geht. Ich lächle etwas gequält und lasse mir die Strapazen jedoch nicht anmerken. 

Schließlich geht es nun hoch zum höchsten Punkt der gesamten Strecke in der „Sierra de Biar“. Dieser Abschnitt ist für mich persönlich das Filetstück der gesamten Strecke vom IRONGRAVEL360. Eine breite Piste führt durch eine beeindruckende Landschaft und im Hintergrund geht die Sonne unter, die die Landschaft in ein mystisches Licht taucht. 

Ich fahre nun etwas schneller, weil ich vor Einbruch der Dunkelheit wieder unten sein möchte. Kurz bevor es endgültig stockfinster wird, folgt noch ein letzter schmaler Singletrail. Zum Glück hat der Veranstalter an die Abzweigungen mit hellgrüner Farbe einige Pfeile angebracht, ansonsten hätte ich mich hier bestimmt verfahren. Den Rest der Strecke fahre ich wie im Rausch. Mir ist zwar saukalt, aber ich möchte nur noch finishen und eine heiße Dusche genießen. Nach brutto 18 Stunden fahre ich durch den Zielbogen und bin froh ohne Sturz oder Panne durchgekommen zu sein. Dass ich noch unter den Top 10 ins Ziel gekommen bin, freut mich im Nachhinein umso mehr.

Der IRONGRAVEL360 ist eine absolute Herausforderung für Gravelbiker, die an ihre Grenzen gehen wollen. Von den knapp 60 Startern erreichten nur 35 Teilnehmer das Ziel. Wer es entspannter haben möchte, der kann auch auf der 100 oder 200 Kilometer Strecke sein Glück finden. Eine atemberaubende und abgelegene Landschaft sowie ein enthusiastisches Veranstalterteam runden das Gesamtpaket ab. Eine Alternative zum THE TRAKA 360 ist der IRONGRAVEL360 auf jeden Fall.       

Wenn Sie Timos Strecke ausprobieren möchten, finden Sie sie hier:

Text und Bilder von Timo Rokitta, außer wenn anders angegeben.

timo rokitta

Timo ist ein über enthusiastischer Schotterfahrer mit Sitz in Deutschland. Er ist in ganz Europa gefahren und mischt das Teilnehmen an Langstrecken-Schotter- und Bikepacking-Veranstaltungen mit sozialen Schotterausfahrten. Er ist auch Veranstalter von Events und man kann ihn entweder auf einem Moots, einem OPEN UP, einem Allied Able oder einem in den 1970er Jahren umgebauten Klappfahrrad für Schotterfahrten sehen!

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